– Die Beatles und wir

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Freitag, 5. Februar 2016
LÜTTJELAGE
Die Beatles und wir
Derzeit entdecke ich eine alte Liebe neu. Nur Banausen werden leugnen, dass die Beatles in einer Reihe mit Bach und Beethoven stehen, als Sterne am Firmament der Hochkultur. Mir selbst liegt Nichts ferner, als mit meinem Expertentum auf diesem Feld der Musikgeschichte zu prahlen. Nur ganz am Rande sei erwähnt, dass die verstiegenen Harmonien in „Love You To“ vom Album „Revolver“ (1966) bereits in „If I Needed Someone“ („Rubber Soul“, 1965) leitmotivisch antizipiert wurden.
Knisternd kreiste jetzt die Vinylplatte auf dem Teller. Ich dirigierte mit geschlossenen Augen „Lucy in the Sky with Diamonds“, da betrat die Erstgeborene meiner drei Töchter das Wohn-zimmer. „Was issn das?!“, fragte sie. Das kulturelle Erbe des Abendlands fällt uns nun einmal nicht anstrengungslos in den Schoß; man muss es sich erarbeiten. Also klärte ich sie in einem interessanten Referat über Leben und Werk der Beatles auf. Das war ich John, Paul, George und Ringo schuldig. Sie hörte still zu, bis meine mittlere Tochter den Raum betrat. „Was hört ihr denn da?“, fragte diese mit kraus gezogener Nase, während Sergeant Pepper auf dem Plattenspieler seine Runden drehte.
Prompt ließ die Erstgeborene das Licht ihres frisch erworbenen Wissens über ihr  leuchten: „John und Paul aus Liverpool waren die besten Musiker der Welt“,  erklärte sie: „Dann bekamen sie Zoff, weil einer ein japanisches Mädel heiraten wollte, und später wurde er erschossen.“ Ich nickte.
Dann kam meine jüngste Tochter dazu. Nach vier Sekunden Sergeant Pepper machte sie ein Gesicht, als gäbe es Fischsuppe mit Spinat. Ungefragt fasste die Mittlere ihre neuen Erkenntnisse für sie zusammen: „Die komische Musik da ist aus Liver … aus Liverkusen“, sagte sie. „Weil John die chinesische Frau von Paul nicht mochte, hat er den armen Kerl einfach erschossen.“ Die Jüngste gab sich unbeeindruckt. „Gibt’s das auch auf Youtube?“, wollte sie wissen. „Sicher“, sagte ich knapp. Ansonsten schwieg ich. Dabei hätte es noch unendlich viel zu sagen gegeben, auch über George und Ringo und den grandiosen Schlussakkord von „A Day in the Life“. Aber man darf
die Dinge nicht komplizierter machen, als sie ohnehin schon sind.
Mit freundlicher Genehmigung vom Autor Simon Benne, HAZ


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